Gewalt gegen Frauen
Gewalt gegen Frauen umfasst Straftaten, von denen Frauen überproportional häufig betroffen sind, wie sexuelle Nötigung, Vergewaltigung und häusliche Gewalt. Auch psychische Gewalt gehört zur Macht- und Kontrollausübung über Betroffene dazu.
Gewalt gegen Frauen und nicht-binäre Menschen gehört weltweit zu den größten Menschenrechtsverletzungen. UN Women veröffentliche eine Übersicht zu den verschiedenen Formen von patriarchaler Gewalt.
Auf nationaler sowie europäischer Ebene mangelt es immer noch an verlässlichen Daten zu Gewalt gegen Frauen. Eine Studie der FRA von 2014 bietet einen vergleichenden Überblick.
Die Grundrechte von Frauen hinsichtlich ihrer Würde und Gleichheit werden verletzt. Gewalt hat nicht nur Auswirkung auf die Betroffenen selbst, sondern auch auf deren Familien, den Freundeskreis und auf die gesamte Gesellschaft (European Union Agency for Fundamental Rights – FRA, 2014).
Jede dritte Frau in Europa – Deutschland über dem Durchschnitt
Die Studie der FRA von 2014 mit dem Titel „Gewalt gegen Frauen“ legte offen, dass
- jede dritte befragte Frau in Europa seit ihrem 15. Lebensjahr schon einmal körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren hat,
- fünf Prozent der Frauen seit ihrem 15. Lebensjahr vergewaltigt wurden,
- 18 Prozent der befragten Frauen schon einmal Opfer von Stalking waren.
Was die Erfahrung der Frauen mit sexueller und/oder physischer Gewalt angeht, liegt Deutschland laut der Studie leicht über dem EU-Durchschnitt (35 Prozent versus 33 Prozent EU-weit).
Das Bundeskriminalamt ermittelte 2019 erschreckende Zahlen zur sogenannten „Partnerschaftsgewalt“. Die Daten zeigen, dass über 80 Prozent der Fälle Frauen betreffen. Die Behörden zählten 2020 einen Anstieg partnerschaftlicher Gewalt von 4,9 Prozent. Diese Gewalt geht überwiegend von männlichen Tätern aus.
Die Muster dieser Gewalt lassen sich über alle Gesellschaftsschichten hinweg beobachten, da Frauen immer noch zu häufig von ihren Partnern als Eigentum betrachtet werden. Mit einer Änderung der Gesetze muss also auch immer ein gesellschaftliches Umdenken einhergehen. Oft wird den Betroffenen die Schuld an der Gewalt zugeschoben, indem diese Tötungen als Verzweiflungstaten oder Beziehungsdramen verharmlost werden. Der Mord eines Mannes an seiner (ehemaligen) Partnerin muss daher als das benannt werden, was er ist: Femizid.
Die Europaratskonvention zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt („Istanbul-Konvention“) trat am 01.02.2018 in Kraft.
Die unterzeichnenden Staaten verpflichten sich, gegen psychische, sexuelle und körperliche Gewalt vorzugehen sowie die Gleichstellung der Geschlechter in die Verfassungen und Rechtssysteme zu übernehmen.
„Zur vollständigen Umsetzung fehlt jedoch noch ein Gesamtkonzept mit Koordinierungsstellen auf Länderebene, dessen Umsetzung von einer unabhängigen Monitoring-Stelle auf Bundesebene überprüft wird. Dazu gehört die Finanzierung einer ausreichenden Zahl von Plätzen in barrierefreien und bedarfsgerechten Frauenhäusern oder auch verpflichtende Schulungen für Richter*innen.“ (Zitat UN-Women vom 01.02.2018)
Mit der Argumentation, die Konvention schade u.a. der Einheit der Familie und fördere Scheidungen, trat die Türkei am 19.03.2021 aus der Istanbul-Konvention aus. Knapp neun Jahre nach der Ratifizierung sieht die Lage der Frauenrechte dort weiterhin sehr düster aus: Der Europarat rügte 2018 die Türkei wegen des Umgangs mit Gewalt- und Vergewaltigungsopfern und die Anzahl der Femizide ist immer noch erschreckend hoch.
Andere Staaten wie Polen oder Ungarn zweifeln das Völkerrechtsabkommen an und auch Deutschland setzt es nur schleppend um. Der Deutsche Frauenring e.V. fordert spürbare Maßnahmen und die Verteidigung der Istanbul-Konvention!
Lesen Sie hier unsere Stellungnahme zum Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention.
Alternativbericht der CEDAW-Allianz zivilgesellschaftlicher Organisationen in Deutschland
Der letzte Alternativbericht der CEDAW-Allianz von 2016 greift unter dem Kapitel 5: Gewalt gegen Frauen diese Themen auf:
- häusliche Gewalt,
- Tötungsdelikte in sozialen Nahbeziehungen,
- sexualisierte Gewalt,
- Zwangsverheiratung,
- Gewalt im Bereich sexueller und reproduktiver Rechte (FGM und Sterilisation),
- homo- und transphobe Gewalt,
- Gewalt gegen die besonderes verletzlichen Gruppen von
- Migrantinnen,
- geflüchteten Frauen,
- Frauen mit Behinderung und
- ökonomisch und sozial benachteiligten Frauen.
Eine neue Qualität geschlechtsbezogener Gewalt
Durch die zunehmende Digitalisierung unseres Alltags verlagert sich Gewalt immer mehr in den neuen digitalen Raum. Dies wird besonders am Beispiel Stalking möglich, das durch Überwachungssoftware auf Handys neue Dimensionen erreichen konnte. Täter*innen können ihre Opfer zu jeder Zeit und von jedem Ort aus erreichen und ihre Taten vor einem riesigen Publikum zur Schau stellen – das Netz vergisst nur schwer etwas. Hasskommentare werden häufig nicht gelöscht und Anonymität und Identitätsdiebstahl erschweren die Verfolgung von Übergriffen.
Das Themenblatt zum Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung unterscheidet vier Bereiche von geschlechtsbezogener digitaler Gewalt:
- Sozialer Nahraum: Hier wird mittels der oben genannten Methoden Kontrolle ausgeübt, beispielsweise auch durch die Drohung, sensible Daten oder private Fotos zu veröffentlichen.
- Politik und Ehrenamt: Vor allem in den sozialen Medien werden Menschen von tausenden anonymen Accounts gezielt beleidigt. Ziel dieser sogenannten „Hate Speech“ (Hassrede) ist es, die Betroffenen zum Schweigen zu bringen – oftmals Feminist*innen.
- Erwerbsarbeit: Dies betrifft vor allem Menschen, deren Erwerbsarbeit im digitalen Raum stattfindet, wie Journalist*innen oder auch Professionelle aus der Videospielbranche, in welcher nach wie vor oft eine frauenfeindliche Atmosphäre herrscht. Beschäftigte werden während der Arbeit mit sexualisierten Nachrichten oder Bildern belästigt.
- Öffentlicher Raum: Auch im „analogen“ öffentlichen Raum werden neue Technologien für sexuelle Übergriffe missbraucht. Beim sogenannten „Upskirting“ werden unbemerkt Fotos oder Filme von Intimbereichen fremder Menschen erstellt, auch versteckte Kameras in Umkleidekabinen und auf Toiletten wurden in Deutschland bereits gefunden.
Hilfsangebote mit digitalen Kompetenzen stecken noch in den Kinderschuhen, häufig fehlt interdisziplinäres Wissen. Betroffene können sich etwa an die Beratungsstelle Hate Aid oder an den Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) wenden.
Gewalt gegen Frauen als Kriegswaffe
Nicht erst seit Beginn des Angriffskriegs Putins gegen die Ukraine im Frühjahr 2022 hören wir von speziell gegen Frauen gerichteter, häufig sexueller Gewalt in bewaffneten Konflikten. Laut Amnesty International dient diese dem Ziel, den „Feind“ zu destabilisieren, indem Frauen und ihre Angehörigen erniedrigt und durch ungewollte Schwangerschaften gezeichnet werden oder in patriarchalen Gesellschaften ihre „Ehre verlieren“. Der Körper der Frau wird hier zum Schlachtfeld. Deshalb gilt sexuelle Gewalt in Zeiten des Krieges seit 2008 als Kriegsverbrechen (UN-Resolution 1820). Dennoch sind die Vergehen aufgrund der instabilen Staatsmacht besonders schwer zu ahnden. Beispielsweise im Bosnienkrieg wurden von 1992 bis 1995 mindestens 20.000 Frauen systematisch vergewaltigt, Konsequenzen für die Täter gab es aber nur in Einzelfällen. Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt werden selten an den Friedensprozessen beteiligt.
Vielen Frauen bleibt nur die Flucht, doch auch in den Zielländern sind sie nicht in Sicherheit: Geflüchtete Frauen und Kinder werden an der Grenze gezielt von Menschenhändlern angesprochen und unter falschen Vorwänden in Bordelle verschleppt. Trans Frauen bleibt der Fluchtweg aufgrund der geschlechtsspezifischen Wehrpflicht häufig vollständig verwehrt.
Auch außerhalb direkter Konflikte bleibt Gewalt gegen Frauen ein Thema: In Familien mit Angehörigen der US-Armee kommen „schwere Aggressionen“ gegen Ehefrauen drei Mal häufiger vor als in anderen Familien (Amnesty).
Der Deutsche Frauenring engagiert sich für
- die Sicherung der Finanzierung von Frauenhäusern
- den Ausbau von Hilfsangeboten mit digitalen Kompetenzen für alle Geschlechter
- ein strengeres Vorgehen gegen Hassrede und Gewalt im Netz
- die Entwicklung eines umfassenden staatlichen Handlungskonzeptes zum Schutz der von Gewalt betroffenen Mädchen und Frauen
- die Entwicklung koordinierter und qualitativ aufeinander abgestimmter Verbesserungen des bestehenden Opferschutzes
- Maßnahmen zur Unterbindung von Frauenhandel und Zwangsprostitution
- eine konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention
- eine feministische Außenpolitik, die die geschlechtsspezifischen Auswirkungen bewaffneter Konflikte in den Blick nimmt
Lesen Sie gerne unsere neueste Pressemitteilung zu Gewalt gegen Frauen vom 25. November 2021.
Informationen zum internationalen Gedenktag für die Opfer von transfeindlicher Gewalt können Sie aus der Pressemitteilung vom 20. November 2021 entnehmen.
Am 28.05.2020 veröffentlichten Frauenorganisationen in ganz Deutschland, darunter der Deutsche Frauenring e.V., einen gemeinsamen offenen Brief Ein Frauenmord ist kein Einzelfall und kein Versehen! Sie finden den offenen Brief hier.