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Intersektionalität

Intersektionalität ist ein theoretisches Konzept, ein rechtliches und politisches Instrument, mit dem Überschneidungen und Quellen von Diskriminierungen durch soziale Kategorien wie Gender, race oder Klasse, sexuelle Präferenz, Behinderung, Alter etc. benannt und sichtbar gemacht werden.

Intersektionalität  (engl. Intersection: Straßenkreuzung) eröffnet die Perspektive auf Diskriminierung, die der Lebenswirklichkeit vieler Menschen erst gerecht wird, die gesellschaftlich verschiedenen sozialen Positionen zugeordnet werden oder verschiedene Zugehörigkeiten empfinden. Der Ansatz ermöglicht, die Wechselbeziehungen von sozialen Ungleichheiten und Machtverhältnissen auf struktureller und systemischer Ebene zu benennen, aufzuzeigen und zu analysieren.

Intersektionalität erweitert die Perspektive auf die individuelle Dimension von Diskriminierung um die strukturelle und institutionelle Ebene. Erst mit der Perspektive auf strukturelle Diskriminierung können Muster von Diskriminierungen, Nachteilsschaffung und Privilegierung, Ausgrenzung und Bevorzugung in der Gesellschaft, Bildung, dem Gesundheitswesen, Arbeitsmarkt, in Politik und Justiz aufgedeckt und bekämpft werden. Die Definierung von institutioneller Diskriminierung eröffnet den Blick auf die Handlungen und Entscheidungen der Menschen innerhalb sozialer Bereiche und Institutionen. So wird auch auf internalisierte Diskriminierungen oder auf den „Implicit Bias“ (dt. Unbewusster Verzerrungseffekt, welcher das Entscheidungsverhalten durch unfreiwillige Assoziationen mit sozialen Kategorien beeinflusst) aufmerksam gemacht.

Soziale und strukturelle Systeme wie Kapitalismus, Kolonialismus, Rassismus und das Patriarchat tragen Diskriminierung und Privilegierung in sich.

Sie stabilisieren Machtverhältnisse und globale Hierarchieordnungen, welche auf Herrschaftskonstruktionen beruhen. Somit sind unter anderem Rassismus gegen Schwarze Menschen, People of Colour und Indigene (BIPoC), gegen Sinti*zze und Roma*nja, aber auch Antiasiatischer Rassismus, Colorismus, Antisemitismus, Islamophobie, Homophobie, Trans*phobie, Ableismus und Sexismus Elemente dieser Machtsysteme. Auf diesem rechtlichen und normativen Rahmen fußen heute noch soziale Hierarchien, Rechts- und Wertesysteme und beeinflussen somit Politik, Gesetzgebung, sozialen Zugang und Teilhabe, was weiterhin strukturelle Hürden und Mauern schafft.

Die Aufdeckung und Benennung der Überschneidung von Diskriminierungen haben ihren Ursprung u. a. im Schwarzen Feminismus und in der Critical Race Theory in den USA und dem Kampf gegen das rassistische Rechtssystem. Die Juristin und Rechtswissenschaftlerin Prof. Kimberlé Williams Crenshaw begründete mit ihrer Kritik am US-amerikanischen Rechtssystem 1989 das Konzept der Intersektionalität. Damit wurde das Zusammenwirken von Sexismus und Rassismus in der Rechtsauslegung beleuchtet und tiefgehend kritisiert und letztlich ein weitgreifender Ansatz erschaffen.

Intersektionaler Feminismus betrachtet und benennt die Diskriminierung von Frauen auf Grund ihres Geschlechts immer zusammen mit anderen Diskriminierungsformen innerhalb gesellschaftlicher Machtsysteme.

Für den Deutschen Frauenring e.V. bedeutet der Einsatz für die Gleichberechtigung von Frauen immer auch ein Engagement gegen Rassismus, Sexismus, Klassismus und andere Diskriminierungen auf Grund von sichtbaren und unsichtbaren Merkmalen der Identität und sozialen Kategorien.

Der DFR arbeitet intersektional und solidarisiert sich mit denen, die sich für einen intersektionalen Feminismus einsetzen. Mit der Ernennung von Dr. phil. Natasha A. Kelly zur Frauenringsfrau 2021 würdigt der DFR die Arbeit und Erfolge von Dr. Kelly in der Sichtbarmachung von Schwarzen Frauen und Schwarzem Feminismus sowie der Bedeutung von Schwarzen Frauen und People of Color für die feministische Bewegung und Debatte. Die intersektionale Perspektive auf die Diskriminierung von Frauen ist essenziell für die Arbeit für Gleichberechtigung, welche ihr Ziel noch längst nicht erreicht hat!

Denn in Europa und insbesondere in Deutschland besteht ein großes Problem darin, Diskriminierungen treffend zu benennen und damit Intersektionalität vollständig einzuführen. Seit 2006 gibt es in Deutschland zwar das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) , welches die Begrifflichkeit der intersektionalen Diskriminierung aufgenommen hat, jedoch fehlt es genau hier an einer konkreten Benennung der sogenannten Mehrfachdiskriminierung und Formulierung von Handlungsempfehlung und Maßnahmen bei sich überschneidenden Diskriminierungen. Das Center für Intersectional Justice (CIJ) hat zu den Chancen, Lücken und Herausforderungen von Intersektionalität in Deutschland einen detaillierten und ausführlichen Bericht 2019 veröffentlicht. Ein aktueller Bericht des CIJ zu Intersektionalität in Europa erschien 2020 und beschreibt die Wichtigkeit hinter dem Konzept für Politik, Forschung und Gesellschaft.